“Entschuldigung, hier können Sie nicht stehen bleiben.”

Der Mann schaute sie mit einer Mischung aus Ungeduld und Verwirrung an.

“Ich weiß aber nicht, in welche Richtung ich gehen möchte”, antwortete sie.

“Hier können Sie nicht bleiben. Dies ist der Punkt der Unmöglichkeit.”

“Ich stehe doch aber schon hier.”

“Das sehe ich.”

“Dann kann ich doch auch noch eine Weile hier bleiben?”

“Nein, das geht nicht. Werte Dame, bitte bewegen Sie sich.”

“Aber ich stehe doch schon hier?”

“Sie können hier nicht bleiben.”

“Was wollen Sie tun?”

“Sie darauf hinweisen, dass Sie sich bewegen müssen. Ansonsten muss ich ein Räumkommando bestellen.”

“Wie sieht das aus? Wird dann ein Kran geliefert, der mich zur Seite bewegt? Oder eine Gruppe Menschen, die mich hochheben und an eine andere Stelle stellen?”

“Das Räumkommando wird Sie vom Punkt der Unmöglichkeit entfernen.”

“Also wissen Sie es auch nicht?”

“Ich musste es noch nie bestellen.”

“Dann bin ich die erste Person, die sich am Punkt der Unmöglichkeit befindet?”

“Nein, es waren schon viele hier. Nur hat sich noch niemand hier aufgehalten.”

“Aber es gibt ein Protokoll? Sie wissen, dass Sie ein Räumkommando bestellen müssen und dass sich niemand hier aufhalten darf?”

“Richtig.”

“Woher?”

“Es ist mein Job.”

“Ja, aber wer hat es Ihnen aufgetragen?”

“Es ist mein Job.”

“Ich verstehe.”

“Verlassen Sie jetzt bitte den Punkt der Unmöglichkeit.”

“Ich kann nicht.”

Sie blickte ihn leer an und fügte dann hinzu: “Es ist mir unmöglich.”

Er zückte sein Funkgerät und sagte: “Code 408. Ich wiederhole: Code 408.”

Sie warteten.

“Und hier ist wirklich noch niemand stehen geblieben?”, fragte sie.

“Nein.” Der Mann schwieg eine Weile.

Schließlich sagte er: “Wissen Sie, vor einiger Zeit war mal eine junge Frau hier.”

Sie schaute ihn an.

“Die Frau hat sich nicht in der gleichen Form hier aufgehalten. Es ist etwas schwierig zu erklären. Aber … irgendwie war sie doch länger hier, als sie durfte. Sie wurde hierher gebracht und hat sich irgendwie … verfangen.”

“Das heißt, sie kam nicht wieder raus, wieder weg vom Punkt der Unmöglichkeit?”

“Ja, so in etwa.”

“Wollte sie denn?”

“Nun, sie wollte gar nichts mehr in diesem Moment. Sie war innerlich komplett zerrissen. Verlor komplett den Bezug zur Realität und die Verbindung zu sich selbst.”

“Und dann fiel sie hier in Ohnmacht, oder wie muss ich mir das vorstellen?”

“Nun ja, ihr Geist löste sich vom Körper. Kam zurück. Fand nicht wieder hinein. So halt.”

“Bedeutet das, ihr Körper ist weitergegangen, und ihr Geist ist noch hier?”

Sie schaute ihn mit großen Augen an.

“Das glaube ich nicht.”

“Aber sie wissen es nicht genau?”

“Ich glaube, ihr Geist ist ihr hinterhergeflogen. Vielleicht in einem gewissen Abstand. Vielleicht hat er sich auch alleine auf den Weg gemacht. Jedenfalls bin ich ziemlich sicher, dass er nicht mehr hier ist.”

“Ach so.”

Sie dachte eine Weile nach.

“Aber ganz sicher sind Sie nicht?”

“Wie kann man da sicher sein.”

“Stimmt.”

“Aber ich denke, wenn der Geist noch hier wäre, würde er sich irgendwie bemerkbar machen.”

“Vielleicht. Oder er hat mich angelockt?”

“Das ist aber eine mutige Theorie. Haben Sie den Geist denn gespürt?”

“Weiß ich nicht. Etwas hat mich hergeführt. Und etwas lässt mich nicht los. Ich kann es nicht benennen und eigentlich ergibt es auch keinen Sinn.”

“Hm.”

“Auf der anderen Seite…”

“Ja?”

“Was genau ergibt schon Sinn im Leben.”

“Vieles.”

“Ja, aber doch nicht, wenn man ganz genau hinsieht. Wenn man langfristig denkt. Dann ergibt eigentlich nichts wirklich Sinn. Sondern immer nur im jeweiligen Moment und immer nur subjektiv. Und selbst dann kann man alles relativieren.”

“Langsam fange ich an zu glauben, dass Sie wirklich an diesen Punkt gehören. Das darf ich so ja gar nicht sagen, von Berufs wegen. Aber so als Privatmensch fühle ich schon eine gewisse … Stimmigkeit. Dass Sie am Punkt der Unmöglichkeit gelandet sind. Und sich nicht weiterbewegen. Geist hin oder her.”

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